Ein Dorf mit Vergangenheit ...

Hellinghausen

Hellinghausen ist ein Dorf mit über 420 Einwohnern im Westen der Stadt Lippstadt gelegen. Vor allem bekannt durch die Sage vom „Versteinertem Brot“, das im Eingangsbereich der Kirche ausgestellt ist.
Aufgrund der besonderen „Insellage“  am Rand des Naturschutzgebietes  „Hellinghauser Mersch“, kommen jedes Jahr viele Besucher an diesen Ort, um sich über die außergewöhnlichen  Gegebenheiten zu informieren. Vom Kirchparkplatz aus starten biologische Exkursionen in die Hellinghauser Mersch.
Unsere Kirche, die neben den sonntäglichen Gottesdiensten auch seit einigen Jahren als Traukirche  genutzt wird, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Viele Brautpaare aus dem Umland schätzen die familiäre Atmosphäre dieses Gotteshauses und geben sich hier das Ja-Wort.

Geschichte der St Clemens Kirche

Karl der Große schickte nach der nach Unterwerfung der Sachsen Glaubensboten aus, die das Christentum verbreiten sollten. Diese zogen zur besseren Orientierung  entlang der Heerstraßen, meistens entlang der Flussauen (Lippe). Er selbst soll auf seinem Weg zum Reichstag in Paderborn  im Jahre 777 schon eine kleine Holzkirche in den Wiesen gesehen haben. 

Die St Clemens Kirche wurde als erste Steinkirche in Westfalen von der Heiligen Ida Gräfin von Herzfeld, einer Verwandten Karls des Großen, im Jahre 825 erbaut. Sie steht auf einer leichten Anhöhe. Man vermutet an dieser Stelle den früheren Dorfmittelpunkt von Hellinghausen. Über viele Jahre hat man die Kirche und die umliegenden Gebäude vor den Überschwemmungen beschützt, indem man sowohl das Umland als auch den inneren Bereich der Kirche angefüllt hat. Im Laufe der Jahre entstand auf diese Weise eine inselartige Fläche. Im Rahmen einer Renovierung im Jahre 1982 fand man bei Ausschachtungsarbeiten eine Grabplatte von 1595.
Durch Belagerungstruppen vor der Festung Lippstadt kam es in den Jahren 1673 und 1678 mehrmals zu Plünderungen und Zerstörungen an unserer Kirche.
In einem Visitationsbericht heißt es:

Sie (die Kirche) gleiche eher einer Räuberhöhle als einer Kirche, so dass im ganzen Haardistrikt eine ähnliche Kirche nicht gefunden wird.“  

Trotzdem die Kirche einer „Ruine“ vergleichbar war, dauerte es infolge der entsetzlichen  Armut der Bevölkerung und des nachfolgenden Siebenjährigen Krieges noch mehr als hundert Jahre, bis Hellinghausen wieder eine neue Kirche bekam.
Die alte Kirche war so baufällig, dass sie im Jahre 1777 abgerissen werden musste.

Erste Informationen zum Neubau dieses Gotteshauses stammen aus dem Jahre 1746. In den Kirchenbüchern aus diesem Jahr ist eine Ausgabe in Höhe von 6 Groschen für das Porto für einen Brief nach Köln an die bischöfliche Behörde verzeichnet, in dem um die Genehmigung zum Abbruch der alten Kirche nachgesucht wird. Von dem alten Gebäude sollte nur der Kirchturm erhalten bleiben, da er noch in einem guten Zustand war. Im Zuge des Neubaus der Kirche wurde er 1778 mit Kalk neu verputzt. Eine Mauer aus Bruchsteinen mit einer Stärke von einem Meter verbesserte seitdem seine Statik.
Auf einem Ankerbalken in dem Turm ist der Spruch vermerkt:

                                 "In meinem Alter ward ich neu"

Bevor man mit dem Abbruch der alten Kirche beginnen konnte, baute man zunächst ein Haus, das dem zukünftigen Vikar als Wohnhaus dienen sollte. In diesem Haus wurde das Kircheninventar und Baustoffe während der Bauphase untergestellt. Im Jahre 1780 kam es zum Bau der neuen Kirche im Barockstil. Aufgrund des instabilen Baugrundes, mussten Baumpfähle in den Boden getrieben werden.
Von 1780 bis 1783 stellte Tischlermeister Ebert aus Lippstadt die Statuen, die Rokoko-Kanzel und das Schnitzwerk am Orgelgebäude her. Der ehemalige Hochaltar wurde im Zuge der „Stilbereinigung“ entfernt.

Nach Fertigstellung des Gotteshauses, weihte der Abt des Klosters Liesborn dieses Gebäude dem Heiligen Papst und Märtyrer Clemens. Seit dieser Zeit befindet sich über dem Eingangsportal ein Chronogramm mit der Aufschrift:


          „PATRO CINIO DIVI CLEMENTIS NOVA SU(v)RREXI“.

Aus dem Lateinischem übersetzt bedeutet diese Inschrift:
Unter dem Patronat des hl. Clemens bin ich neu erstanden.  
Addiert  man die römischen Ziffern, so ergibt sich aus der Summe die Jahreszahl 1781.    

Das Kirchspiel Friedhardtskirchen, dem die Gemeinden  Hellinghausen, Herringhausen und Overhagen angehören, reichte sogar über die Lippe hinweg, so dass die Bewohner des Böbbinghofes und des Gutes Nomekenhof bei Cappel, mit einem Boot oder bei Niedrigwasser auch zu Fuß die Lippe überquerten, um  zur Kirche oder zur Schule zu gelangen. Rund um dieses Gotteshaus befand sich auch bis zum Jahre 1875 der Friedhof für die Gemeinden des Kirchspiels. Anschließend wurde er an den jetzigen Standort verlegt.   

Im Jahre 1898  (Foto) kam es zum Neubau der Sakristei. Der Altarraum wurde verkleinert, um mehr Platz für die Gottesdienstbesucher zu schaffen.
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges hinterließ auch in Hellinghausen seine Spuren. So mussten im Jahre 1917 die Glocken und Orgelpfeifen zu Rüstungszwecken abgeliefert werden.

1933 wurde die Pfarrei von Hellinghausen nach Overhagen verlegt und die Schule in Hellinghausen geschlossen. Der Pfarrer zog nach Overhagen und Hellinghausen wurde zur Nebenstelle erklärt.
Auch der zweite Weltkrieg forderte seinen Tribut. 1940 mussten wiederum die Glocken zu Rüstungszwecken abgeliefert werden.
Am 1. April 1945  (Ostersonntag) gingen deutsche Truppen in der Nähe der Kirche in Stellung. Anlässlich dieser Ereignisse brach Pfarrer i.R.  Droll sogar das Hochamt ab.
Während der Nazidiktatur hielt Pfarrer Droll einen französichen Juden im Pastorat versteckt und bewahrte ihn so vor der Deportation.

Im Jahre 1949  wurde der Böbbing (Cappel) der Stadt Lippstadt angegliedert und schied aus der Gemeinde Hellinghausen aus. Der mühsame Schulweg der Kinder fand damit sein Ende.
Zu größeren Veränderungen an dieser Kirche kam es im Jahre 1958. Im Rahmen einer Renovierung mit Entfernung des Hochaltars wurde einen moderne Heizungsanlage installiert. Das Pastorat war in die Jahre gekommen und diente nur noch als Übergangswohnung. 1972 kam es zum Abriss des Schulgebäudes und des Pastorats. Im Jahre 1981 stellte man unsere Kirche unter Denkmalschutz. Ein Jahr später kam es zur Erneuerung des Dach- und Glockenstuhles. Auch in der Kirche erfolgten umfangreichen Renovierungen. Der  Hochaltar wurde erneuert und die Kreuzigungsgruppe von der Ostwand genommen und auf den Altar gestellt.  Bei der Umgestaltung der Außenanlagen baute man auch den alten Kreuzweg ab. Die Renovierung der Müller-Orgel erfolgte im Jahre 1991.
Im Rahmen der Lipperenaturierung wurde 2005 die Gottesinsel mit einem  Hochwasserschutzwall versehen. Auch die Straße zur Kirche, die bei Hochwasser oft nicht passierbar war, wurde im Rahmen dieser Maßnahmen angehoben.
Im Jahre 2009 kam erneut zu einer Renovierung der Orgel wird. Sie wurde mit einem neuen Gebläse ausgestattet.

Quellenhinweise:
Auszug aus dem Pfarrarchiv des Pfarrers Clemens Fleige 1904 und aus Überlieferungen und Urkunden des Lehrers  Gerhard Hoischen von 1949. Zusammengestellt und ergänzt von
Alfons Räker.  Übersetzt aus dem Lateinischen von Friedrich Stuckenschneider
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Das „Versteinerte Brot“

Besonders bekannt ist unsere  Kirche für das „Versteinerte Brot“, das im Eingangsbereich zu betrachten ist. Früher war es noch mit einer Tafelinschrift versehen: „ Das steinerne Brot von Hellinghausen. Gottes Strafgericht für Hartherzigkeit gegen Bedürftige“. In der alten Kirche vor dem Jahre 1781 diente das Versteinerte Brot als Türgewicht. Jedes Jahr besuchen zahlreiche Schulklassen und kirchliche Gruppen dieses Gotteshaus, um das „Versteinerte Brot“ zu besichtigen.

Die Sage vom Versteinerten Brot
Vor langen Jahren lebten zu Hellinghausen, einem freundlichen Dörfchen in der Nähe von Lippstadt, zwei Schwestern. Die eine war sehr reich und lebte mit ihrem Mann und ihren Kindern im Überfluss, die andere aber war so arm, dass sie mit ihren sechs Kindern Hunger und Kälte ertragen musste, denn sie war eine hilflose Witwe, die nur von Almosen lebte.
Viele Jahre lang hatte die reiche Schwester den Jammer und die Armut ihrer unglücklichen Verwandten angesehen, ohne ihr zu helfen, so sehr die arme Schwester auch darum bat. Eines Tages aber konnte die arme Mutter das Jammergeschrei ihrer hungrigen Kinder nicht mehr ertragen und sie entschloss sich, noch einmal zu ihrer Schwester zu gehen und sie um ein Stückchen Brot anzuflehen.
Die reiche Schwester aber antwortete: "Ich haben kein Brot!" Und als die arme Schwester mit Tränen in den Augen noch inniger in sie drang, rief die sie mit gellender Stimme: "Das Brot, das ich im Hause habe, mag zu Stein werden!" Da kehrte die unglückliche Mutter mit Kummer im Herzen zu ihren hungrigen Kindern zurück.
Als nun am anderen Morgen die böse Schwester den Schrank öffnete, um das Brot herauszunehmen, siehe, da war es zu Stein geworden und vor Schrecken stürzte sie zu Boden und war tot.
Das steinerne Brot aber trug man zur Kirche und hängte es dort auf zur „ewigen Mahnung und Erinnerung“   

Aus: "Mein Heimatland". Westfälisches Lesebuch. Hrsg. Katholischer Lehrerverband des Deutschen Reiches und dem Verein katholischer deutscher Lehrerinnen.  Crüwell Verlag. (Dortmund: 1930)

 

 

Historische Orgel aus dem Jahre 1783

In der Pfarrkirche begleitet ein historisches Orgelwerk den Gottesdienst. Es stammt aus dem Jahre 1783 und wurde von dem Paderborner Hoforgelmacher Johann Gottlieb Müller  errichtet. Nachdem die Orgelpfeifen im Laufe der Jahre sehr stark von Bleikorrosion befallen waren, wurde sie im Jahre 1845 durch den weltbekannten Orgelbauer Carl Kuhlmann vollständig neu aufgebaut und dabei nicht unerheblich verändert.
Sie ist heute die größte in Westfalen noch vorhandene Orgel dieses Orgelbauers, die zudem in ihrem Bestand am besten erhalten ist. In einer Zahlungserinnerung dieses Orgelbauers vom 7.  Dezember 1845 an Pfarrer Girsch heißt es:
 „...Das Zurückbleiben dieser Summe verursacht mir ungewohnte, unangemessene Begrüßungen. Euer Hochwürden bitte ich daher inständig, sich in dieser Angelegenheit wiederholend so eindringlich als tunlich und zulässig zu verwenden und mir den fälligen Betrag [ . . . ] zu übersenden .“
Im Jahre 2009 wurde diese Orgel erneut restauriert.

 

 

Der Heilige Clemens, Schutzpatron der Kirche.

Der hl. Clemens Romanus (Clemens I.) gilt als der dritte Nachfolger des Apostels Petrus bzw. der vierte Papst der katholischen Kirche in Rom in der Zeit um 88-97 nach Christus. Die Quellen sind sich hier nicht ganz einig. Der Legende aus dem 4 Jahrhundert zufolge, verbannte Kaiser Trajan Clemens mit vielen anderen Christen zur Zwangsarbeit in die Marmorsteinbrüche von Chersones auf der Halbinsel Krim. Da den Gefangenen Wasser verweigert wurde, vereinte sich Clemens mit allen Christen zum inständigen Gebet. Er erblickte im Gebet ein Lamm, das mit dem rechten Vorderfuß in der Erde scharrte. Als er wenig später an dieser Stelle grub, sprudelte dort eine Quelle. Dieses Wunder vermehrte seine Anhängerschaft und auch die Zahl der Christen auf der Insel. Zahlreiche Menschen ließen sich daraufhin von ihm taufen. Dies wollte Kaiser Trajan nicht hinnehmen und ließ Clemens mit einem am Hals befestigten Anker ins Meer werfen. Clemens ertrank und wurde fortan als Märtyrer verehrt.
 
An Totensonntag feiert die Schützenbruderschaft St. Clemens Herringhausen-Hellinghausen e.V. das Patronatsfest mit einer Messe zu Ehren des Heiligen Papstes Clemens. Im Anschluss daran erfolgt eine Gedenkfeier mit Kranzniederlegung für die Verstorbenen der Weltkriege am Ehrenmal.

 

 

Die Volksschule und das Pastorat in Hellinghausen

Diese Schule existierte seit 1676. Einer Kirchenaufzeichnung aus diesem Jahre ist zu entnehmen, dass in jenem Jahr erstmalig eine Lehrerstelle in der Pfarre Hellinghausen ausgeschrieben wurde.
Erste Aufzeichnungen wurden von Heinrich Hoischen erstellt, der im Jahre 1838 als Lehrer, Küster und Organist mit seinem Sohn Gerhard nach Hellinghausen kam. Bis 1928 unterrichtete sein Sohn Gerhard die Kinder des Kirchspiels Hellinghausen, Herringhausen und Overhagen.
Zeitweise wurden 130 Kinder verschiedener Altersstufen in einem Raum gemeinsam unterrichtet. Neben dem Schulgeld in der Höhe von 2,50 Mark, müssen die Eltern auch eine Holzspende entrichten.
Ab dem Jahre 1877 erhalten die Kinder aus Overhagen eine eigene Schule. In Herringhausen entsteht im Jahre 1930 ein neues Schulgebäude für die Kinder aus Hellinghausen und Herringhausen. Mit einem feierlichen Umzug ziehen die Kinder in die neue Schule ein. Durch diese Veränderung verliert die Schule in Hellinghausen an Bedeutung und wird überwiegend für kirchliche Zwecke genutzt.
Während des 2. Weltkrieges veranlassen Fliegerangriffe auf die Bahnlinie in Herringhausen die besorgten Eltern dazu, ihre Kinder wieder in die sichere Schule nach Hellinghausen zu schicken.
Nach dem Krieg diente das Schulgebäude noch lange als Unterkunft für Vertriebene, bevor es 1972 zusammen mit dem Pastorat abgerissen wurde.